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Das Wahrzeichen von Auckland ist fuer mich die Insel Rangitoto, eigentlich verknuepft mit der Insel Motutapu, aber man sieht sie nur als ein Gebilde noerdlich des Hafens. Sie ist gaenzlich mit gruenem Gebuesch und Heide bekleidet, ohne Haueser und mit nur wenigen Pfaden darauf. Sie ist langgezogen mit einem Hoecker, oder sieht aus wie des kleinen Prinzen Schlange, die einen Elefanten verschluckt hat. Ueberhaupt oeffnet sich Auckland, das auf mindestens 50 Vulkanen liegt, ueberall dem Meer. Daher ist die Stadt auch recht unregelmaessig, mit vielen Halbinseln und Ausbuchtungen im Meer berandet. Sie machen die Stadt aeusserst huegelig und auch unuebersichtlich: das Instiut fuer Chemie, Mathematik, Physik, Informatik und Statistik z.B. liegt zwischen den beiden Strassen Symonds street und Princess street, Symonds steigt nach Sueden an, aber Princess steigt wegen eines kleinen Vulkans an derselben Stelle nach Norden an, was ausserordentlich verwirrend ist, und ich bin schon 3 mal in die falsche Richtung gegangen weil ich mich am Gradienten orientiert habe. Die Vulkane sind gar nicht so alt, der juengste Ausbruch in Auckland war vor 600 Jahren. Es gibt viele Erdbeben, an manchen Orten, wie Wellington sogar taeglich. Ueberhaupt ist die Nordinsel, aber auch teilweise die Suedinsel wesentlich vulkanisch bestimmt. Beide Inseln verdanken sich dem Zusammentreffen zweier tektonischer Platten, die die Faltung erzeugen, und wo sich im Sueden die oestliche ueber die westliche und im Norden umgekehrt die westliche ueber die oestliche schiebt, der Wendepunkt etwa in der Hoehe von Wellington, wo es deshalb auch taeglich wackelt. Die Suedinsel enthaelt im Westen eine Bergkette, die Alpen genannt, die im wesentlichen aus Urgestein recht aehnliche Formationen zeigt und aehnliche Hoehen wie die europaeischen Alpen. Die Suedinsel ist daher auch sehr viel wilder, Naturpark reicher und weniger bevoelkert als die Nordinsel. Es gibt kleine Rangeleien zwischen den beiden Inseln: die Suedinsel gilt als schoener, lebt von Fremdenverkehr und Schafen und wird als etwas zurueckgeblieben angesehen, sozusagen das Oesterreich von Neuseeland, die Nordinsulaner halten sich fuer ueberlegen und weltumfassender, v.a. Auckland.

 

Aucklands Gebiets/ und die Strassennamen sind halb englisch, halb Maori (Oneihunga, Teatatu, Waitemata, Rotorua), welchletztere immer mit einem Vokal enden. Die Bevoelkerung, die man in der Stadt sieht, ist 2/3 asiatisch 1/3 englisch/westlich, Maoris sind sehr in der Minderzahl, kaum auf der Strasse zu sehen und wenn dann oft in desolatem Zustand auf irgendwelchen Parkbaenken, aehnlich wie die red Indians in den USA. Die Asiaten sind zu 50% Chinesen/Taiwanesen, der Rest Koreaner, Inder, ein gar nicht so kleiner Anteil, 1994 als Fluechtlinge eingeladen, sind 10.000 Iraqui-Familien, alle (Vaeter) entweder Mediziner oder Ingenieure.

Die vielen Asiaten bestimmen klar das Restaurantangebot: es gibt Chinesen, Japaner, Taiwanesen, Vietnamesen und Inder, alles ziemlich gut und erschwinglich. Mir haben es vor allem die japanischen Restaurants angetan, mit ihren Kaestchen und schoen angerichteten Reis und Fisch-Speisen.

Die Universitaet beherbergt einen englischen und europaeischen Staff, ziemlich viele Deutsche, auch aus der ehemaligen DDR (habe einen alten Bekannten von vor 20 Jahren aus Jena wieder entdeckt), aber auch Italiener, Hollaender, und Iraquis. Ich sitze in einem Zimmer mit Adriana, einer Italienerin aus der mir gut bekannten Militaerstadt Pordenone, mit 8 vom Hauptplatz sternfoermig ausgehenden Strassen, in Tre Venezie, NO-Italien, altoesterreichisches italienisch-slowenisches Gebiet. Das heimelt an. Die Studierenden sind zu 80-90 % Asiaten. Hier werden die reichen Chinesen aus Hongkong aus oekonomischen Gruenden vorwiegend eingeladen (50%), der Rest sind Inder, Koreaner, Philippinos, Malaysier. Die Auslaender zahlen erheblich mehr Studiengebuehren als die Kiwis, aber es ist immer noch erheblich weniger als in den USA, daher kommen sehr viele.

Die Asiaten erzeugen auch einen sehr hohen Frauenanteil in den Ingenieurstudiengaengen, in CS sind 35%. Ute, eine deutschstaemmige Lecturer, die vorher in Wellington war, sagte, dort haetten sie nur 1 Frau unter 60 CS-Studierenden gehabt. Also wie in D, die Auslaender erhoehen den Frauenanteil.

 

Anders als in den USA und mehr noch als bei uns hat im Strassenverkehr das Auto jeden Vorzug, von Fussgaengern und - Gott bewahre - Radfahrern wird erwartet, dass sie warten. Ohne Auto ist man in Auckland kein Mensch. Der oeffentliche Verkehr ist sehr beschraenkt, auch wenn es einen kostenfreien roten Bus vom Hafen zur Uni gibt. Und die Autofahrer, v.a. die jungen Maenner fahren sehr ruecksichtslos. Ich habe mir ein Fahrrad gekauft, um beweglicher zu sein, aber es ist wirklich gefaehrlich hier. Ich fahre meist nur mehr auf den Fussgaengerwegen.

 

Alle sind – anders als bei uns - in der ueblichen casual sportswaer gekleidet. Ich habe keine Inderin im Sari gesehen, kein arabisches Kopftuch, nichts dergleichen. Das empfinde ich als ebenso angenehm wie die Tatsache, dass die Frauen hier keine Zeit verwenden, um sich „aufzumascherln“ (aber waere auch sinnlos wegen des staendigen starken Windes, der keine Frisur erlaubt, wegen des Sports, der jede Kosmetik wg Schwitzen ad absurdum fuehrt). Es gibt auch keine wirklichen Modegeschaefte, fast alle Klamotten sind casual und sportswear. Das faellt auch fuer die Schuhe auf, es gibt kaum Lederschuhe, nur Sport/Plastic. Neuseelands auffallende Bekleidungsindustrie ist Sportsware. Und das sieht man bereits am Flughafen: nicht die ueblichen italienischen und franzoesischen Weltmodenanfuehrer, Yves Saint Laurent, Armani, usw. (ich bin mit meiner Aufzaehlung sicher auch hinterm Mond, es heisst doch eigentlich Hugo Boss, Versace, oder so) die noch in Sydney repraesentiert sind, sondern nur NZ Sportsware: functional ware, Anoracks, backpacks, sleeping bags.

Sport spielt in der Tat die Hauptrolle und ist stark verbunden mit der wirklich wunderbaren NZ-Natur. Jede/r wandert, klettert, faehrt Schi, kanuet, surft, fischt, segelt, spielt Cricket (heute eine wunderbare Aufstellung weiss gekleiderter alter Herren in zwei sich gegenueberstehenden Reihen gesehen, die sich m.E. dieser Taetigkeit hingaben) und Golf, und viele tun noch viel mehr mit staendig neu erfundenen Sportarten, ich habe keinen Ueberblick, aber habe viele Arten noch nie gehoert oder gesehen. Universitaets- und Erziehungsleute sind aber auch besorgt, dass die Jugend zu viel Sport betreibe, statt sich mit Wissen und Bildung zu beschaeftigen. Auf der anderen Seite doch viel besser als Drogen u.ae.

 

Man ist hier ueberhaupt sehr gut und sicher aufgehoben: Hinweisschilder zeigen einem das Notwendige und auch Offensichtliches, z.B. scenic view ebendort, machen auf Gefahren aufmerksam, manchmal wichtig (every unauthorized vehicle will be towed away – was sie naemlich in kuerzester Zeit ausnahmslos tun), oder verlangen von einem Selbstverstaendliches, wie z.B. in den mit Aufforderungen gepflasterten Toiletten in der Universitaet: wash your hands after every use of commode! Leave sink in the state as you find it! Do not throw paper or other things on the floor of the toilet!

 

Die Informatik ist voellig anders organisiert als bei uns: es gibt 3 Departments, die auch entsprechende Studienkurse anbieten: Logik und Computation, Computer Science (im Wesentlichen Software Engineering und Computer Graphics samt Webalgorithmen), Computer Engineering (entspricht unserer Wirtschaftsinformatik). Software Engineering sind die Maechtigsten wegen der industriellen Bedeutung, ganz im Gegenteil wie bei uns, wo dieses Fach wegen Unwissenschaftlichkeit so verachtet wird, dass es z.B. in Freiburg gar nicht erst vorkommt (Softwaretechnik ist Verifikation). Ingenieurwissenschaft ist hier viel mathematischer als Computer Science, ganz im Gegenteil wie bei uns. Die CS-Studis lernen hier programmieren, anders als bei uns, wo sie es im Studium nie lernen. Das ganze Studium erscheint mir insgesamt viel naeher an der indischen CS als an der europaeischen, weil es hier mehr darum geht, Entwicklungs- und Anwendungskompetenz zu erwerben als wissenschaftliche Kompetenz.

 

Als ich mich hier anmeldete, musste ich ein Formblatt ausfuellen, das die Frage nach meiner ethischen Gruppe enthielt. Beinahe haette ich gesagt, white trash, habe das aber dann doch mit European angegeben (ist das eine ethnic group?).

Die ganze Universitaet ist mit Mackintosh-Computern ausgestattet. Das ist doppelt so teuer wie PCs und workstations, aber natuerlich wesentlich anwendungsfreundlicher. Ich wurde gleich gefragt, ob ich eine UNIX-Person sei, was man von europaeischen CS-Leuten annimmt. Die Studis haben natuerlich meist Windows-PCs. Aber auch die Uni-Pools und die nahen Cafes sind mit neuesten Macs ausgestattet , ueberall stehen die transparenten Imacs-Quader herum und die neuen Halbkugeln mit Head-Monitor (Neid, neid).

Bezueglich der Bezahlung gibt es allerdings keinen Anlass zu Neid, die Salaere sind halb so gross wie bei uns bei mindestens gleich grossen Lebenshaltungskosten. Die Kosten sind offenbar wg. des Waehrungsverfalls sehr gestiegen, aber die Einkommen sind wirklich mehr als bescheiden (ein Trost vielleicht bezueglich der deutschen neuesten Entwicklungen). Aber natuerlich hat man hier alles vor der Haustuer, was bei uns viel kosten wuerde: Meer, Berge, Segeln, Surfen, Klettern, Golf, wunderbare Natur.

Man sieht sehr viele alte Leute arbeiten, offenbar sind auch die Renten nicht allzu hoch. An den Registrierkassen, in Geschaeften, Schaltern und als Aufsicht bei Uni-Pruefungen sind faktisch nur aeltere Frauen, in Bars, Hotels, auf Schiffen und in Restaurants aeltere Maenner oder Ehepaare, die Bed and Breakfast-Angebote sind oft Zimmer in normalen Wohnhaeusern, deren BesitzerInnen auf ein Zubrot angewiesen sind.

 

Die Vegetation ist ganz unglaublich: einerseits gibt es nie gesehene Ureinwohner, wie die bizarren kleinblaettrigen silver-, mountain-, black- und red - Buchen, Mistelbaeume, Fuchsienbaeume, die roten Rata-Buesche, die Cabbagetree-Palme, Rimu- und Farnbaume, andererseits haben die Englaender vor 150 Jahren alles an Pflanzen eingeschleppt, was denkbar war, ja, es gab einen Wettbewerb, wer mehr europaeische Pflanzen und Tiere heimisch machen wuerde. So hat man nun ein wildes Gemisch an Hoelzern aus Fichten, Eschen, Tannen, Weiden, Pappeln, den einheimischen Buchen, Ulmen, Eukalyptusbaeumen, Foehren, Palmen, Lerchen, Zypressen, und v.a.m. und englischen Stechkoniferen. Charakteristisch sind m.E. die Buchen, die aehnlich den Foehren weit oben ihr Blaetterdach, mittels bizarr zackiger Aeste bilden, so wie man sie aus chinesichen Zeichnungen und Bildern kennt. Aehnlich verhaelt es sich mit dem Unterholz und den Gebueschen, den Blumen und Graesern: englischer Rasen ist importiert, die einheimischen Grasarten sind sehr harte faserstarke, kaum abzubrechende oder –reissende konzentrische Bueschel. Die Maoris bauten aus ihnen ihre Haeuser, Moebel und Koerbe. Die heutige Bewachsung der Huegel und Berge ist kuenstlich: es ist dennoch ein wunderbar gruener Anblick, der ausgesprochen charakteristisch fuer diese Schafswiesen erscheint. Die Verwertbarkeit fuer die Schafe verdankt sich den Flugzeugen, die Fermente und Mineralien ueber die Berge streuen und so die braunen kargen Bergruecken in leuchtend gruene Matten verwandeln. Die neuseelaendischen Ur-Blumen waren oft auf Bueschen (Rata) oder Baeumen (Fuchsie), an Blumen auf Stengeln gibt es nicht so viele, am ehesten noch in den Alpen, die mountain daisies und mountain lilies. Die meisten neuseelaendischen A|penblumen sind weiss, da sie durch die nachts taetigen Moouses (sehr grosse Inselkten) vermehrt werden, die nachts nur weisse Blueten sehen. Dafuer gibt es aeusserst bizarre langstielige orange Blumen, die hohle stengelfoermige Bluetenblaetter haben. Alles was an Importiertem waechst, waechst in unglaublicher Farbenpracht und Groesse, wuchert, koennte man sagen. Kein Wunder bei dem vielen Regen und dem milden Klima.

Und in alledem wohnen die neuseelaendischen Voegel, das aber ein andermal.

 

Ich bin bei meiner freundlichen Kollegin im Hochhaus mit Los Angeles-Blick und –Ton ausgezogen und wohne jetzt recht weit draussen im Westen bei Sherry mit deutschem Nachnamen, einer Stewardess. Sie hat ein 1 stoeckiges (ungewoehnlich, die meisten sind Bungalows) Holzhaus, fast an der Mangrovenkueste, die man sehen kann, mit schoenem wild wucherndem Garten. Sie hat ausserdem 2 schoene Dalmatiner und eine Dalmatiner-Sitterin ebenfalls im Haus, fuer wenn sie in der Luft ist. Sie ist wahnsinnig lieb, wie alle Neuseelaender, auch ein wenig verrueckt, und vor allem hat sie fast kein Gedaechtnis: die Fliegerei ist so brutal, dass sie oft 5 Tage ohne Unterbrechung je nur 3 Stunden schlafen darf und sie kommt in somnambulen Zustand an, kann kaum artikulieren, mit leerem Blick, steif und wie betrunken und vergisst alles, was sie vereinbart hat, sofort. Wenn sie dann 2-3 Tage Zeit hat, sich an die lokale Zeit zu gewoehnen, wobei sie entweder schlaeft oder in unglaublicher Lautstaerke (immerhin schoene) Hippiezeit-Musik hoert, muss sie schon wieder los. Ihr zweites Wort ist, just relax, honey, you are o.k.darling? Ich nehme an, das ist im Flugzeug dauernd noetig, beruhigt sie aber gleichzeitig auch selbst. Sie sagt, sobald Terrorismus in Sydney angekommen ist, waere sie weg von dem Job. Wenn sie nicht so stabil waere wie sie ist, waere sie m.E. laengst halb tot. So hat sie nur jede Menge Allergien und Asthma. Da treffen wir uns, denn sie hat genau die gleichen Lebensmittelallergien wie ich.