Am Karfreitag holt mich Rob in der Casa Piccolo ab, um eine deutsche Frau mit ihrem Sohn aus der Pfalz und mich 4 Stunden (260 km) nach Süden an den Zebra River im Distrikt Maltahöhe in sein Lodge zu fahren. Rob zeigt uns noch in Wundhuk die im Bau befindliche Präsidentenvilla, die 600 Mio Namibische Dollar kosten soll, eine ziemlich hässliche Betonburg, die nur von Koreanern geplant und erbaut wird, was die Namibier erbost, da im Lande 50% Arbeitslosigkeit herrscht. Auch werden Chinesen in großer Zahl zur Arbeit ins Land gelassen, ohne die akribischen Auflagen, auch nicht gegen SARS, denen sich andere Ausländer unterziehen müssen, die die Freiheit von allen möglichen Seuchen, wie TBC, Aids etc. nachweisen müssen. Auf Nachfrage hin, warum das und warum es auch in den Satellitenstädten von Windhuk eine ganz neue Chinatown gibt, sagt er, die Swapo habe Unterstützung von China und Nordkorea im Befreiungskampf erhalten und nun gelte es, diese Schuld zurück zu zahlen. Nun bekomme ich eine andere Sicht zu hören: der Präsident baut sich Paläste und er und die Minister fliegen in Privatflugzeugen herum, verschleuderten das Steuergeld und wären, was die Nichtbefolgung der eigenen Gesetze angeht, die allerschlimmsten. Er sagt, dass Namibia seit der Unabhängigkeit, besonders aber während der letzten 5 Jahre in rapidem wirtschaftlichem und ökologischem Verfall sei. Angesprochen auf die neuen Windhuker Straßennamen, schimpft er, all diese Verbrecher wie Hendrik Witbooi, Nelson Mandela, der Diktator von Zimbabwe Robert Mugave, der Diktator des Kongo und Fidel Castro würden nun durch Strassen geehrt, wobei er sich bei letzterem verbessert, der sei vielleicht kein Verbrecher – die Amerikaner sind auch hier, und sogar unter den Weißen, nicht beliebt – oder aber es kann auch sein, dass mittelalterliche Deutsche, die die 68-er mitgemacht haben, ihm bezüglich Cubas andere Ansichten vorgetragen haben.
In Windhuk ist das Wetter schlecht, i.e. man sieht mehrere Wolkengebirge und die Sonne scheint nicht, es wird sicher wieder regnen. Am Weg fahren wir durch viele gefüllte Wassersenken (rivers), die nach Rob am Tag vorher noch nicht da waren. Gleich nach dem Verlassen von Windhuk sehen wir Gruppen von Pavianen mitsamt Kleinen, die sich den Autostraßenzoo sehr interessiert ansehen. Aber die Beobachteten beobachten auch, das geschäftige Treiben, das Herum- und auf die Schulterspringen der Kleinen.
Die Landschaft wechselt von den grün bequasteten Windhuk-Hügeln mit Bäumen in der Ebene, über Felsen aus Granit zu dem schrofigeren, stärker dekomponierten meist eisenroten Dolomitstein bis hin zu dem Kalksediment, das den Canion des Zebra river charakterisiert. In der Ferne sind der Gemsbock-Pass und schon näher der Naukluft Gebirgszug zu sehen, bis wir in die Canions vor den Wanderdünen kommen. Hier sind letztere rot - wir sind 30 km (zu fahren aber 160 km) von Sossusvlei entfernt, einer Gegend mit wunderschönen roten Dünen. Hier scheint sich allmorgens oder allabendlich ganz Deutschland zu treffen, um den Sonnenauf-/untergang zu bewundern. Auch ich will mir die Dünen ansehen, die mit 360m die höchsten Dünen der Welt sind.
Südlich von Windhuk kommen wir an verstaatlichten Farmen vorbei, mit viel Nutzvieh, Kühen und Ziegen. Rob hat keine Angst, dass seine Farm enteignet würde, da sie nur aus Steinen besteht und nicht mehr mit Nutzvieh bewirtschaftbar ist. Je weiter südlich desto mehr sieht man die Überweidung, bis hin zur völligen Ausrottung der Gräser. Abgegrenztes Farmland besteht oft nur mehr aus dem gelben Sand oder brauner trockener Erde, oder ist von nachwachsenden Dornensträuchern bedeckt, die nur für Kamele verdaulich sind. Und meist sieht man die Ziegenherden weit oben in den Bergklippen grasen, da unten kein Halm mehr zu finden ist. Rob meint, in 10 Jahren wäre wegen Überweidung die ganze noch vor 50 Jahren mit fettem Gras bewachsene Gegend Wüste. Wenn nichts getan wird, bzw. keine Änderung eintritt, ist dies realistisch, auch John und Barbara haben sich ähnlich geäußert: die Wüsten nehmen zu wegen Überweidung. Ziegen sind gleichzeitig die Weide-Konkurrenten der Browser, also der Antilopen und Gazellen, wie Kudus, Ipalas und Springbock, und der Giraffen, während Kühe und Schafe Konkurrenten der Graser, also der Zebras, Oryx, Gnus, Giraffen, Springböcke u.a. sind. Somit wird das Land unlebbar für die Wildtiere, die ja über den Tourismus die zweitgrößte ökonomische Basis Namibias sind. Rob sagt, dass in seiner von ihm 1993 gekauften Farm, wo das Gras trotz keiner Nutzung kaum hochkommt, dieses in den 50er Jahren noch so fett und hoch stand, dass sich der Farmer nicht mehr als 100 - 200 m vom Haus entfernte wegen der vielen im Gras verdeckten Schlangen, Skorpione, etc. Bis dahin hatten aber Ziegen- Kuh- und Schafherden Gelegenheit, dieses Gras auszurotten.
Ich frage, ob sich das Landwirtschaftsministerium der Überweidung durch entsprechende Programme nicht annimmt, er meint das würde sie nicht Interessieren. Er berichtet, dass zur Ernährung der Bevölkerung gerade ein paar Hundert Kudus zusammengetrieben und geschossen wurden. Ich frage, ob sich das Ministry of Evironment and Tourism da für das Wildlife nicht eingeschaltet habe. Er meint, der Minister und die hohen Beamten seien die Schlimmsten, sie würden privat ohne Rücksicht auf Gesetze und auf die ökologischen Folgen selbst die größten Abschussmengen herstellen und jeder Widerspruch dagegen würde mit drastischen Strafen, Gefängnis und aus dem Land jagen, verfolgt, alles was man tun könne, wäre, das Ministerium zu verlassen. Ich denke an Steve und Louise, die das getan haben, und an Johns drohende Versetzung.
Auf den Weg begegnen wir kaum Tieren, auch kaum Vögeln, bis auf die Paviane, einem Leguan und den Nutztieren. Doch auf einer Farm habe ich erstmals das so oft in Holz nachgebildete Perlhuhn gesehen. Der Zebra River schneidet einen 300 m tiefen Canion innerhalb der Zarin mountains ein, wo Mariannes und Robs Lodge situiert ist. Die Zarin mountains gehören zur Nama-Gebirgsgruppe, die aus Kalk und Konglomeraten bestehen und am Zebrariver in ca 2-5 cm meist rot-schwarzen Platten geschichtet ist, die teilweise in steilen Wänden teilweise in schrägen Schotterhalden abfallen. Trockenheit und mangelnde Erde und Bewachsungen und zeigen die Felsbildungen sehr gut. Innerhalb der Sedimente liegt relativ weit oben eine Aschenschicht, die Zirkon enthält, welches wieder Uran enthält. Deshalb kann man dort aufgrund des Uranzerfalls in Blei diese Schicht genau datieren, als 550 Mio Jahre alt. In Auftrag der Ölindustrie von Oman wurden und werden die Sedimente im Zebra rivier genau untersucht, denn das Zaris Basin in South African Plateau erhält Sedimente, die den Omanischen Öl enthaltenden Sedimenten sehr ähnlich sind. Da sie wegen der „active erosion“ hier ganz oben liegen, ist es besser, sie hier zu studieren als durch sehr viel tiefere Bohrungen in Oman. Es besteht aber keine Hoffnung auf Öl für Namibia, da wegen der Oberflächlichkeit der Schichten das Öl längst heraus gewaschen ist. Dennoch tummeln sich hier nicht nur die englischen und holländischen Geologen im Auftrag Omans, sondern Geologen aus aller Welt, da der amerikanische Geologe, der auch das geologische Marsprogramm leitet, hier die älteste Muschelversteinerung (shell fossil) der Welt gefunden hat. Es sind die ersten verkalkten Metazoen, i.e. multizellularen Kreaturen, die harte Teile enthalten.
Überdies gibt es im Zebra rivier Höhlen, u.a. das Fig Tree Grove, auch steinzeitliche Wohnhöhlen und Felszeichnungen, die aufgrund des trockenen Klimas gut erhalten sind.
Die Gegend ist auch geomorphologisch interessant, da hier der Bruch des südamerikanischen und afrikanischen Kontinents great escarment bildet. Die Naukluft Berge driften von NO nach SW und drücken die Namagebirge zusammen, falten sie und werden selbst aufgestaut bis zu senkrechten Schichtungen, wie die Dolomiten in den Alpen.
Mariannes und Robs Lodge besteht aus 3 aus den vorhandenen Steinen gebauten grün gedeckten Häusern (und etwas entfernt zwei einfachen Wohnhäusern der angestellten Namafamilien) mit einem sehr angenehm und sympathisch ausgestatteten Gäste-Wohnraum und einer offenen Veranda, wo alle sitzen. Das Essen ist sehr reichlich und sehr gut. Marianne und Rob scheint es selbst am besten zu schmecken, und die 4 mit helfenden jungen Mädchen aus England, der Slowakei und Deutschland, sagen dass sie in 3 Monaten jeweils 15 kg zugenommen haben. Eine davon ist Briony Turner, eine Londoner Geographie-Studentin, die über den Konflikt Mensch-Elefant arbeitet, genauer geht es ihr um die Detektion eventueller Landzerstörung durch Elefanten im Nordwesten Botswanas (enthält die meisten afrikanischen Elefanten – 120T der 500T in Afrika), also angrenzend an Caprivi. Ihre Arbeit geschieht im Rahmen einer Dissertation von Christopher Gibbons, supervised von Dr. Nick Drake, ebenfalls vom Kings College in London. Sie trägt ihre Arbeit bei der First National Scientific Conference of Gabarone in Botsawana im Juli 2004, veranstaltet von der NGO BENRON vor.
Da Elefanten Bäume zerstören und viel Land um die Wasserstellen zertrampeln, da weiter jeder Elefant 225 l Wasser pro Tag trinken muss, macht man sie für hohen Wasserverbrauch und Degradierung von Land (Erosion durch Baumzerstörung, Elefantenpfade und Dungmengen) verantwortlich. Frau Turner beabsichtigt, diese Vorstellungen mittels verschiedener Arten von Luftbildern zu überprüfen. Es sieht nach ihren Beobachtungen so aus, als wäre im Chobe National Park seit 1970 keine Degradierung des Landes um die Waterholes durch Elefanten geschehen, eher im Gegenteil; wohl aber würden sich die patches dauernd bewegen, was dann Farmern den Eindruck von Beeinträchtigung liefern kann, denn Land das vorher integer war, wurde nun zerstört. Ihr scheint, dass insgesamt die Zerstörung durch Elefanten vorübergehend und relativ gering ist im Vergleich zu anderen Tierarten, auch anderen Mammalien. Vor allem können Insekten wie z.B. die Mopane Würmer 10.3 mal mehr Destruktion an den Mopane Blättern herstellen als es Elefanten jährlich tun. Und Insekten können 100% der Akaziensamen zerstören, welche von Elefanten gar nicht beeinträchtigt werden. Insbesondere aber scheinen biotische Faktoren, wie die Regenmenge, die von Tieren gezeigte Destruktion bei weitem zu überwiegen. Der Grad der Dedgradierung wird mit Vegetationsindizes, gefasst in Formeln, erfasst. Methoden der Beobachtung sind Aufnahmen von oben, die elektronisch aus gewertet und mittels GIS visualisiert werden. Sie stellt fest, dass aus verschiedenen Gründen (Kosten, historischer Vergleich) Infrarotbilder geeigneter sind als digitale Satellitenbilder mit GPS.
Abends gehe ich den halbstündigen Weg hinauf auf den Berg zum Quiver tree (Köcherbaum, die größte Pflanze der Aloefamilie), der einen weißen Stamm hat, der sich im oberen Drittel jeweils in zwei Zweige und dann weiter paarweise verzweigt und an den Astenden grüne Agaven- oder Kaktusähnliche Blätter bildet. Stamm und Äste sind hohl bzw. mit Wasser gefüllt, und wurden daher als Pfeilköcher benutzt werden. Man hat einen wunderbaren Blick in die Zaris Mountains und sieht nicht einmal die Grenzen von Robs und Mariannes Property, die 13 T Hektar groß ist. Aber das ist noch nicht groß für die namibischen Verhältnisse: der erste Nachbar hat 14 T, der nächste 40 T ha. Rob versucht Wildtiere zu vermehren und schießt keine, vielmehr versorgt er kranke Tiere, wenn er sie sieht und hat ein Kontingent Springböcke angesiedelt. Die größte Population sind Zebras, auch Kudus und Oryxe; auch einige Leoparden sind dort, von denen ich aber höchstens Spuren gesehen habe. Von den Nachbarn beschreibt er nur den ersten, der auch Wein anbaut, als in Bezug auf Verschonung des Wildes in Ordnung, alle weiteren würden nach Belieben Wild schießen. Niemand würde bemerken, wenn sie 50 oder auch 500 Zebras oder Oryxe töten würden. Daher behält und pflegt er auch die Zäune, die in Namibia Pflicht waren, aber für das Wildlife auch sehr problematisch sind, da die Tiere ja gewohnt sind, sich weiträumig zu bewegen. Im ganzen Küstenstreifen der Namib kommutierten früher die Tiere zwischen Süd und Nord, aber auch von West nach Ost. Würde Rob aber seine Zäune abnehmen, so würden, so sagt er, die Oryxe und Zebras es nicht einmal die 30 km bis Sossusvlei machen, da sie vorher alle abgeschossen würden.
Nachts ist der Sternenhimmel unglaublich klar. Man sieht die Milchstrasse und die Sterne des südlichen Himmels ganz hell, und überall Massen von Sternen im Hintergrund. Rob hat ein sehr großes Fernglas und will den Gästen die Sterne zeigen. Doch bin ich so müde, dass ich mich nicht mehr entschließen kann, dafür aus meinem Bett wieder zu kommen.
Nächstenstags mache ich mit einer deutschen Frau einen Ausflug zu Quellen des Zebra river. Dafür bringt uns die slowakische Angestellte von Rob und Marianne 1 Stunde mit einem Landrover zu einem Ausgangspunkt für den Weg zu den Quellen. Das Auto schafft unglaublich steile Abbrüche und riesige Steine. Dann gehen wir ca. eine Stunde durch einen Seiten-Canyon zunächst eben, im oder am Rande des Flussbetts. Wir kommen an schönen Akazien mit sociable Weaver-Nestern und Feigenbäumen vorbei, einmal enthält ein solches Nest auch ein Wespennest mit den riesigen roten Wespen, die uns recht aggressiv begegnen, weshalb wir uns rasch aus dem Staub machen. Christl, die sehr lange Afrika erfahren ist, da ihr Mann in Zimbabwe als Ingenieur gearbeitet hatte, sagt, sie habe einen Heidenrespekt vor allen kleinen afrikanischen Viechern. Dann geht es hinauf zu einer oasenartigen Stelle, die sich durch eine enorme Lautstärke der Vögel ankündigt, mit viel mehr Grün und Bäumen. In dunklerem Schatten von großen Feigenbäumen nährt eine Quelle 3 größere Pfützen mit einer Menge von Fröschen. Ich sitze auf einem Stein im Schatten und sehe die wunderschönen grünglänzenden rotbäuchigen Bienenfresser spielen und schreien. Beim Holen meiner Plastikflasche hält mich ein Dornbusch so heftig zurück, dass ich allein wegen des Rückstoßes, weniger wegen der Schmerzen, das Gleichgewicht verliere und hinfalle und mir eine große Zahl Dornen aus den Beinen ziehen muss. Gleichzeitig fängt mein linkes Bein in Knöchelhöhe hinten im Muskelgewebe, also ziemlich weit innen, an zu schmerzen. Christl meint, es sei ein Spinnenbiss, da man nichts sieht, Schlangenbiss schließt sie aus, da würde man zwei Einstiche sehen. Ich habe zwar eine Spinne und auch eine kleine Schlange gesehen, aber vermute am ehesten, dass sich ein Dorn tief ins Fleisch gebohrt hat (heute, nach 4 Tagen scheint es, als ob ich Recht habe). Es ist aber auch in diesem Fall nicht zu spaßen, da ich gegen die harmlosen afrikanischen Bakterien keine Antikörper habe. (Heute nach einem Monat hat sich die Dornentheorie bestätigt und ich warte darauf, dass er herauseitert.)
Nächstentags geht es mit dem Landrover nach Sossosvlei, der zweitgrößten Sehenswürdigkeit des Landes. Wir (Rob, ein holländisches Ehepaar und eine der jungen Engländerinnen) fahren aus den Zaris-Bergen der Property von Rob und Marianne in großem Bogen heraus, und da bietet sich uns der Naukluft Mountainrange in aller Größe und Pracht. Wir sehen, wie das Gegeneinanderdriften der 800 Mio Jahre alten Naukluftberge aus Dolomit und der jüngeren Nama-Berge letztere gefaltet und nach W hin herunter gebogen hat. Man sieht überall, da es nicht überwachsen ist, das stark und fein geschichtete Gestein, weiter nach Westen fahrend die starken Faltungen der Zaris-Berge. Die Nachbarfarm mit 3 Brunnen hat Wein, 3-Sterne- Wein, sagt Rob. Rob zeigt uns die Pflanzen: eine Conifere, verwandt dem Myrrhe Baum mit kupferfarbenem Stamm, die wunderbar riecht. Später kommen wir an einem Berg vorbei, den Rob als 1800 Mio Jahre alt datiert, aus Granit und man sieht dort weit oben eine weisse Schicht aus Quarz, ungewöhnlich offen liegend, gleich daneben relativ junge Berge (80 Mio Jahre). Sie alle sind Muttergesteine für die Sanddünen der Namib, die 80 Mio Jahre als ist.
Wir kommen an einem kilometerlangen quer und diagonal durch das breite kurvige Tal laufenden Abbruch, der Hebronfalte vorbei, die sich wegen der Trockenheit und der Abwesenheit von Erde seit Jahrtausenden nicht verändert hat. Später sehen wir die so genannten Inselberge, das sind Wüstenberge, die so im flachen Sand der Umgebung schwimmen, dass sie wie Inseln in gelbem Wasser erscheinen. Fährt man durch das Wüstental, so driften sie auch langsam weg, sodass der Eindruck des Schwimmens sich verstärkt. Hinter diesen Inselbergen erblicken wir bald auch die ersten roten Dünen. Sie haben teilweise Namen und sind jedenfalls durchnummeriert. Die erste Düne beim Eintritt in das breite Tal des Naturparks Sossusvlei heißt Eliendüne. Auch Düne 43 ist eine berühmte, viel fotographierte Düne mit S-förmig gebogenem Kamm. Tatsächlich besteht der engere Bereich des Parks aus zwei aufeinander zu driftenden Dünenkämmen, die sich in Sossusvlei getroffen haben und so als Barriere für das Tal wirken, das aus zwei parallel fließenden, jetzt trockenen Flüssen gebildet wird. Sossusvlei ist aber auch die letzte Düne des Dünenkamms parallel zum Meer, wo er sich mit dem im rechten Winkel herankommenden zweiten Dünenkamm verbindet. Wir fahren das sehr lange sehr breite Tal entlang, später über eine Sandpiste hinauf bis zur Bucht bei Naravlei, wo es aufhört und wir unter einer Akazie mit vielen Spatzen essen. Es ist traumhaft schön hier und da alle Touris morgens kommen, sind wir ganz allein.
1997 hatte eine Flutwelle die ganze Talbreite überflutet, und ist über die Düne in Sossusvlei geflossen, man sieht heute noch die Wirkungen. Dünen entstehen durch Pflanzen, Brackbüsche, die unter sich durch den Wind Sand sammeln, wachsen, zu größeren Gruppen zusammenwachsen, bis Pflanzen abgehoben werden und so allmählich höhere Dünen entstehen. Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Dünen, je nachdem wie die Windverhältnisse sind. Lineardünen entstehen, wenn der Wind aus einer Richtung bläst. In Sossusvlei formt der Wind Sterndünen, da die Winde typischerweise aus zwei Richtungen kommen. Diese sorgen auch dafür, dass das Tal nicht verdünt, denn der eine Wind bläst Sand ins Tal und der andere bläst ihn wieder heraus. Sehr eindrucksvoll sind vor allem die Farben der Dünen von beige über goldgelb, ocker, orange bis ziegelrot. Die Farben wechseln minütlich mit der Sonneneinstrahlung und werden besonders abends sehr eindrucksvoll mit den schwarzen Schlagschatten auf der einen Seite und der am sandkorngenauen Kamm scharf abgegrenzten rot beleuchteten anderen. Die Muttergesteine sind im feinsten Sand sichtbar: es sind Granit, Gneis, Quarz, und dies alles mit den färbenden Beimischungen: Mangan für schwarz, Eisenoxyd für rot, und Sulfur für gelb. Die Dünen wandern bis 70m pro Jahr und nichts kann sie aufhalten. Bäume darin werden zugedeckt, leben aber weiter, solange sie noch Äste mit grünen Blättern draußen haben, andere Bäume, unter denen Sand weg gedriftet ist, werden herausgehoben, sodass ihre Wurzeln in der Luft so hoch wie der Baum wachsen und sie sich tiefer festhalten müssen.
Wir gehen in ein weiteres Dünental, das viel fotographierte Deathvlei. Hier hat sich aus den Überflutungen ganz harter Lehm gesammelt, der eine, auch z.T. in Oktogonen zerbrochene, undurchlässige Oberfläche bildet und so die Bäume erstickt. Das trockenes Klima erhält dort 500 Jahre alte tote Bäume, die sehr bizarr aus dem Lehm ragen und sich gegen den roten Dünenhintergrund spektakulär fotographieren lassen.
Obgleich die trockenste Wüste der Welt (Wüste ist definiert durch weniger Regenfall als Wasseraufnahme und die Namib hat nur 50mm durchschnittlichen Regenfall, aber 4 l Aufnahme jährlich, was großenteils aus der Luft, der feuchten Atlantik-Küstenluft, geschieht – NB.: Ich frage mich ob nach dieser Definition Deutschland nicht auch Wüste ist, denn das zwar reichlich herunterfallende Wasser wird so schnell in die kanalisierten Flüsse und dann ins Meer geleitet, dass Deutschland überall Wassernotstandsgebiet ist: Baden Württemberg etwa muss die Hälfte seines Wassers aus der Schweiz importieren, in Brandenburg ist es noch schlimmer), ist sie eine der lebendigsten Wüsten der Welt. Dies liegt an speziellen geologischen, geographischen und Konstellationen, insbesondere an der Tatsache, dass sich an der Küste viel feuchte Luft in Nebel staut, welche von den Dünen aufgenommen wird. Im breiten Tal sieht man dies sehr gut, da die Gräser und Sträucher auf den Dünen grün sind, während sie in der Talebene längst vertrocknet sind. Kameldornbäume, Pflanzen hellgrüne Büsche ohne Blätter aber mit sehr unnatürlich wirkenden hellgrünen Früchten, den Nara-Kürbissen. Sie sind so wertvoll für die Ernährung, dass sie tradiert werden im Besitz von Namafamilien. Auch hier sind all die Tiere, die auch in Etosha ansässig sind, aber sehr viel weniger, sodass man sie nicht sieht.
(Nicht nur) auf der Rückfahrt heißt es schauen, schauen, schauen. Die Landschaft ändert sich dauernd, die Beleuchtung ebenfalls, bis wir – schon wieder außerhalb von Sossusvlei den dramatischen Sonnenuntergang vor Dünenkämmen und Wüstenbergen und kehren sehr erschöpft von all diesen Schönheiten in Robs Lodge zurück.
Es gibt eine ganze Reihe von Wegen durch die riesige property von Rob und Marianne. Sie alle sind uralte seit Jahrhunderten von Zebras begangene Zebrapfade. Weicht ein von Menschen übernommener Weg kurz vom alten Zebrapfad ab, so nehmen die Zebras den alten Weg. Rob hat die Wege mit Steinmännchen, cairns, gekennzeichnet, was auch notwendig ist, da man sich in den Höhen immer wieder verlieren kann, die Abstiege oft recht schrofig sind und die Berge auch immer wieder Streifen von steilen Abbrüchen (Zebrastreifen) haben. Am letzten Vormittag gehe ich den recht typischen Ridgeway gegenüber dem Lodge parallel oberhalb des Zebrarivers, zwischen Felsstreifen mit sehr schönem, etwas erhöhtem Blick ins Tal und auf die Lodge.
Gewitter sind sehr lokal, Rob sagt, auf seiner Property habe es vor 3 Jahren 300mm geregnet und auf der Nachbarproperty nur 50mm, die beiden letzten Jahre hätten aber die Nachbarn mehr Regen gehabt als er. Da fast alles davon abhängt, ist die jährlich aufkommende Regenmenge ist in Namibia dauernd im Gespräch. Auch die große Flut 1997, die auch Sossusvlei überflutet hat, wird immer wieder erwähnt. Rob erinnert sich daran, dass sein Landrover im Schlamm stecken blieb und er ihn erst nach 2 Wochen in vielstündiger Arbeit heraus buddeln konnte. Hier braucht man Geländefahrzeuge mit Vierradantrieb. Ein andermal war er mit Marianne einmal auf der Strasse nach Windhuk in einer Schleife des Rivers zwischen zwei Furten eingesperrt, da er die erste Furt überquerte als das Wasser dort noch nicht angekommen war, die zweite Furt aber bereits überflutet war. Als er rasch umdrehte und zurück fuhr, war es auch die erste, und so mussten sie 3 Stunden warten, bis das Wasser wieder abgeflossen war.
Auf dem Rückweg nach Windhuk sehen wir wieder das dramatische Naukluftgebirge auftauchen, bewegen uns aber zunächst westlich von ihm und sehen so wieder Inselberge, die in der Wüste schwimmen, dazwischen dahinter die roten Dünen, d.h. sie schwimmen zuerst in rot, später in gelb, dann schließlich in silber. Das glänzend beige Gras, leuchtet, solange es Samen trägt, wunderbar silbern. Wir fahren nun durch das Naukluft-Gebirge, ein wunderbar gefaltetes und schroffes Dolomitgebirge. Ab und zu sieht man weiße Murmeltierspuren die Felswände herunterlaufen. Rob zeigt uns eine deutsche Farm mit dem Namen „Arbeit adelt“, angesichts der Auschwitz-Nähe dieser Aufschrift schaudert einen. Wir haben 2 junge Engländerinnen im Auto, es ist sehr beschämend. Die Namibia-Deutschen haben oft noch diese Art von Einstellung und Gedankengut, nicht nur jene aus der wilhelminischen Kolonialzeit – 1945 kamen auch viele nach, die sich der Entnazifizierung nicht stellen wollten.
Wir lassen das Naukulft-Gebirge südwestlich liegen und erklimmen das namibische Zentralmassiv, auf dessen riesiger Hochebene auch Windhuk liegt. Von da sehen wir den riesigen Gamsberg-Tafelberg, und viele andere Berge. Es ist für Europäer sehr ungewohnt, Hunderte von Kilometern zu fahren, ohne eine Menschenseele zu sehen und höchstens 1-2 entgegen kommende Fahrzeuge zu treffen. Auf der Hochebene ist es deutlich grüner, denn die Regenmenge erreicht 200-300mm im Jahr. Wieder sind viele Farmen zu sehen mit unterschiedlichen Nutztieren, meist Ziegen, aber auch das Damaraschaf und andere Schafe. Rob erklärt, wie unsinnig diese Tierhaltung sei, da ein Springbock viel weniger Gras und Blätter braucht als eine Ziege oder ein Schaf, doppelt so viel Fleisch gebe, das zudem erheblich schmackhafter sei – ich habs leider nicht gegessen. Die hier gezogenen Schafe gäben noch wesentlich weniger Fleisch, brächten auch keine Wolle und würden das Gras mit den Wurzeln ausreißen und daher noch viel mehr Schaden anrichten als die Ziegen. Der Schaden der Kühe gehe auch weniger auf die Tilgung von Gras zurück als vor allem auf die Verfestigung des Bodens, weshalb der fragile Boden für das Gras keine Luft mehr bekommt. Die in der Nähe von Farmhäusern sichtbare Pflanzung einzelner Eukalyptus- und Zypressenbäume sei auch das Schlechteste, was hier möglich sei, da sie dem Boden ungemein viel Wasser entziehen und sich rasch verbreiten, Gott sei Dank aber wegen der Dürre dann doch nicht so schnell wie anderswo. Wir sehen Aloeblumen mit orangen Blüten, die gerade mit dem Aufblühen anfangen.
Im Distrik Rehobot sehen wir die ersten Menschen, einmal einen und einmal zwei auf Fahrrädern. Wir kommen kurz vor Rehobot an einer Naturschutz-Gästefarm vorbei in der Nähe des Sees am Oanoby-Dam, die Rob empfiehlt. In Rehobot sehen wir auf einmal wieder Menschen, vor allem junge Mädchen, hübsch, bunt und modern gekleidet. Und an der Tankstelle Touris und Motorradrennfahrer mit einer Rennnummer. Ab hier sind auch Oster-Ausflügler aus Windhuk auf der Strasse, schwarz und weiß. Der Verkehr wird gegen Windhuk zu dichter und langsamer, kulminiert aber nicht zu Staus.
Den Abschied in Windhuk, von Heike und Barbara feiern wir im portugiesischen Restaurant. Die lernenden Kellnerinnen haben Probleme, unsere Bestellungen zu verstehen, z.B. fragen wir nach der Menge Rotweins in einer Karaffe und sie wiederholt immer wieder, diese sei voll, aber wie groß die Karaffe selbst ist, war nur durch Bestellung herauszubekommen. Ich finde, das sind typische Kontext-Missverständnisse, die auch durch KI-Systeme entstehen können. Aber Essen und Wein sind gut und ein freiwilliger Parkwächter bewacht wie in Windhuk üblich unseren (Barbaras) Wagen, bis wir wieder zurückkommen.
Nächstentags fahre ich morgens wieder zum Flughafen und die bequeme Boeing 747 der Namibian startet pünktlich. Wir überfliegen auf dem Tagesrückflug wieder Etosha, gelbgrün, mit intensiven grünlichen Stellen, den jetzigen Überflutungen nach starken regenreichen Gewittern, und wieder dem trockenen weißlichen Schotter-Flußbett. Kurz danach überfliegen wir die Grenze nach Angola, wo erst nur Salzkrusten zu sehen sind, unterbrochen durch kleine Pfützen, später trockene leicht grünliche platte Landschaft und später - wir überfliegen Kongo und Nigeria etwas hügeligeres Gelände - teilweise auch mit Wäldern und jedenfalls viel grüner als Namibia. Die Flugzeuginsassen sehen nun Filme an und ich werde ersucht, das Fenster zu verdunkeln. Da ich die Filme nicht sehen will und ich gerne das Land über dem Äquator sehen will, lüpfe ich ab und zu die Verdunkelung und luge alle 20 Minuten aus dem Fenster. Wir überfliegen einen riesig breiten schmutzig graues Wasser tragenden Fluss, den Kongo River, nun sind im Gegensatz zu vorher die Täler grün und die Höhen braun. Noch weiter nördlich wird es ganz grün, mit vielen kleinen Flüssen durchzogen, offenbar tropischer Wald. Und dann kommt ockerfarbene Wüste, in allen Formen und Mustern: hier sehe ich Lineardünen, solche, wo jede zweite quergestreift ist, über Stunden Caro-förmig überkreuzte Lineardünen, die wahrscheinlich durch zwei sich überkreuzende Windrichtungen entstehen, dann sich in Schuppenformen auftürmende Dünen. Stunden über Stunden nur ockerfarbene Wüste in immer variierenden Formen und Mustern, manchmal mit leichten durchsichtigen Nebelschleiern überdeckt. Dann ganz kurz vor der Küste, offenbar über Algerien Anbaugebiete, rasch gefolgt von der Sandküste und dem Meer. Auch dies dauert kurz und bald darauf überqueren wir Sardinien und dann wieder das Meer und schließlich zeigt ein geschlossenes Wolkenmeer, dass wir über Europa sind.
In Frankfurt angekommen werden wir höflich ersucht, sitzen zu bleiben. 11 Polizisten stürmen das Flugzeug, dann die 1. Klasse im Obergeschoß, ohne dass wir erfahren, warum. Schließlich dürfen wir aussteigen und sind froh, heil angekommen und erst beim Aussteigen eines Problems gewahr worden zu sein. Nächstentags mailt mir Barbara etwas beunruhigt, ob ich den Flug gut überstanden hätte: im Namibian sei gestanden, ein betrunkener Namibier habe randaliert und die Flugzeugtür beschädigt und damit den Flug gefährdet.