Einleitung Leben und Natur
Umsetzung einer
Evolution, Umwelt
Wege zur Komplexität
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»künstlichen Biologie« Diese sehr vage Definition ist verständlich, betrachtet man, wie schwer es fällt das biologische Leben zu definieren, das der Artficial Life Forschung als das derzeitige Maß aller Dinge gilt. Physische Ausprägungen des Künstlichen Lebens sind Genmanipulation,
künstliche Befruchtung oder kurz »Biotechnologie«. Virtuelles
Künstliches Leben kann in der Form von im Computer erschaffenem Leben
auftreten, entweder als Programme oder Hardware-Systeme (Roboter). Im folgenden
konzentriere ich mich auf Künstliches Leben als Computerprogramm,
wobei Thomas Rays »Tierra« des öfteren als Beispiel dienen
möge.
Thomas Ray weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Artficial
Life-Forschung keineswegs biologisches Leben und seine Evolution simulieren
will, sondern Künstliche Lebensformen hervorbringen will, die statt
auf Kohlenstoff und Wasser auf Bits basieren. [Ray01]
Thomas Ray, einer der Vorreiter der Artificial Life-Forschung, bleibt
dennoch optimistisch und sagt voraus, daß die künstlichen Lebensformen,
die seine Wissenschaft eines Tages hervorbringen soll, andersartiger sein
werden als das irdische und selbst das außerirdische Leben, das mit
hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf Kohlenstoffverbindungen basieren
wird. Jede Form von andersartigem Leben, egal ob außerirdisch oder
digital, würde unsere Auffassung vom Lebensbegriff schließlich
erweitern. [Ray01]
Merkmale des Lebens und mögliche Analogien des Künstlichen Lebens In diesem Abschnitt möchte ich an vier kurzen Beispielen zeigen, wie einige biologische Prinzipien in der Artificial Life-Forschung umgesetzt wurden. Ob diese Umsetzungen jeweils gelungen sind, ist nicht weiter relevant: Künstliches Leben soll keine Computersimulation der biologischen Evolution sein. Fraglich bleibt aber, ob evolutionäres, dynamisches Leben auch ohne einige dieser Aspekte tatsächlich möglich ist. Der kleinste, gemeinsame Nenner allen biologischen Lebens ist die DNS
im Kern der Zelle(n). Nicht nur die Reproduktion, sondern die gesamte,
physiologische Gestalt und Teile des Verhaltens eines Organismus basieren
auf den Informationen, die im Genstrang gespeichert sind. Ganz klar ist,
daß die biologistische Sicht des Genstrangs und seine Bedeutung für
das Leben in der Artificial Life-Forschung sehr dominant ist: Hier sind
die Gene der Bauplan nicht nur der Physiologie, sondern auch der Psychologie
und Soziologie: Die Lebewesen in Rays Programm Tierra sind Maschinencodeprogramme,
die Kopien von sich selbst im Arbeitsspeicher des Computers ablegen und
sich dadurch vermehren. Ihr Programmcode ist das Analogon zu den Genen
der Biologie. Doch die Bedeutung des Codes ist in Tierra eine andere: Er
legt das Lebewesen, das ihn trägt, nicht nur fest, sondern er ist
schon dieses Lebewesen. Die Tierra-Organismen sind im Grunde lebendige
Genstränge und damit eher mit biologischen Viren vergleichbar, die
zwischen lebendiger und toter Materie angesiedelt sind.
Mutationen, also Veränderungen des genetischen Erbguts, hervorgerufen
durch äußere Einflüsse (Strahlung, Vergiftung) auf molekularer
Ebene, sind ein wichtiger Bestandteil der biologischen Evolution. Sie sind
für die Variation in der Generationenfolge verantwortlich, aus der
sich – gemäß dem reinen Darwinismus – im Laufe der Entwicklung
ein breites Spektrum unterschiedlichster Lebensformen entwickelt.
Neben der DNS kann auch die Zelle als der Grundbaustein allen Lebens
betrachtet werden. Zellen können autonom (Einzeller) oder im Verband
(mehrzellige Organismen) leben, wo sie sich gemäß einer Arbeitsteilung
jeweils auf bestimmte »Körperfunktionen« (z.B. Leber-,
Nerven-, Hautzellen) spezialisieren. Diese Funktionen werden hauptsächlich
durch in der Zelle produzierte Proteine (hochmolekulare Eiweiße)
umgesetzt. Je nach Zellauftrag werden bestimmte Proteine benötigt
(etwa 200000 verschiedene Proteintypen sind bekannt), die in der Zelle
selbst gemäß den Informationen ihres DNS-Strangs zusammengesetzt
werden. Neben ihrer Spezialaufgabe für den gesamten Organismus sorgt
jede Zelle für ihre Selbsterhaltung, Fortpflanzung und ihren Energiehaushalt.
Der biologische Tod definiert sich dadurch, daß die offensichtlichen
Merkmale des Lebens in einem Organismus aussetzen und das biologische Material
des Lebewesens durch Verwesung vollständig an seine Umwelt überführt
wird. Thomas Ray hat es sich mit der Umsetzung des Todes sehr einfach gemacht:
Wenn ein Lebewesen in Tierra stirbt, dann wird sein Maschinencode aus dem
Speicher gelöscht.
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