Ein paar Tage später fahren wir von Möve Baai nach Osten mit den Zielen Damarland Camp, das uns für Forschungszwecke umsonst aufnimmt, Hobatere Camp, das ein früherer Kollege von John, der gekündigt und nun das private Camp leitet, und Etosha, wo wir in der Gästehütte des Nature Conservation Forschungsinstituts unterkommen, bis zurück nach Windhuk.
Die Küste ist flache oder wellige Wüste, manchmal mit größeren Steinhügeln und Steinhaufen. Sand, Steinchen, Steine und auch größere Granitblöcke bilden die Oberfläche. Sie haben alle möglichen Zusammensetzungen der Muttergebirge, insbesondere glänzen viele Quarzsteinchen und andere Kristalle. Alle Farben der Wüste kann man als Komponenten, aber im Wechsel auch als dominierende Farbe der Landschaft sehen: rot, lila, orange, beige, grau, schwarz. In der gelben Sandwüste kommen immer wieder Abschnitte mit verstreuten Strauchhügeln, kleinere und größere Hubbel, deren Oberseite Dornenpflanzen decken. Sie sind dadurch entstanden, dass der Wind Sand unter die Pflanzen trägt, der dort festgehalten wird, wodurch allmählich Hügel entstehen. Sie haben eine wichtige Funktion im Biotop der Wüste, da sie viele Insekten und Kleintiere beherbergen, die wieder Nahrung für größere Tiere sind. Diese Hügel können sich, wenn sie groß genug sind und nahe genug aneinander gewachsen sind, zu größeren Hügeln vereinigen. Tatsächlich entstehen so die großen Sanddünen, hat man mir gesagt. Für die Wanderdünen kann ich mir das nicht so richtig vorstellen, es sei denn die Pflanzen wandern mit. In wechselnder Entfernung von der Küste zieht sich entlang der gesamten Atlantik-Küste Namibias ein Streifen höherer Wanderdünen, die hier, oberhalb von Swakopmund weiß sind, südlich davon rot. Dann erst schließen sich die festen Berge, Hügel, und flachere Teile mit Savanne oder trockener Wüste an.
Wir fahren also von West nach Ost durch ständig wechselnde Landschaften, dramatische kahle Berge aus rotem, orangem, grünem Stein, feines weißsilbriges Gras, welches Ziegen, Kühe, Pferde und Esel weiden. Ursprüngliche oder neu gebaute Dörfer bestehen aus einfachsten Häusern aus Holz und Lehm, es sind heute meist nicht mehr die Rundhäuser mit Rieddach, sondern rechteckige Häuser aus mit Lehm stabilisierten Bretterwänden. Die Energie stammt meist von Windmühlen, die Wasserpumpen von Grundwasser betreiben. Meist leben die Dörfer von der Viehwirtschaft, Ziegen, auch Schafe und Kühe. Die Ziegenherden sind, wenn sie nicht weiden, eingepfercht, wobei die Zäune aus nahtlos in die Erde gerammten Ästen bestehen. Kleine Hunde bewachen tagsüber die herausgelassenen Ziegen. Sie werden nicht gemolken und auch die Kühe geben ob der Trockenheit wenig Milch, sie werden vor allem des Fleisches wegen gehalten. Als Zugtiere dienen die Esel, die meist zu dritt einen Eselskarren für 3 Leute ziehen. Größere Dörfer sind meist aus neu gebauten gelb gestrichenen Ziegelhäusern und haben immer eine Missionsstation - die Bedeutung der Missionen für Soziales und Bildung ist nach wie vor groß.
In Ost-Westrichtung läuft in etwa in Höhe des obersten Drittels des Landes ein Büffelzaun aus zwei hohen parallelen Drahtverhauen mit eingewobenen Holzstangen durch bis Botswana. Er gilt dem Schutz vor Maul- und Klausenseuche in der Rinderzucht, da sonst das Fleisch der Kühe und anderer Tiere südlich des Zauns nicht exportierbar wäre. Der Zaun ist aber auch problematisch, denn er behindert einen wichtigen Wildlife-Austausch: die großen Mammalien werden durch ihn daran gehindert, wie früher das ganze Land von Norden bis Süden zu durchwandern. Andere, wie Elefanten, werden dadurch dennoch nicht behindert. Auch bekommen nicht alle Büffelarten Maul- und Klausenseuche, mindestens zwei Arten, die auch von der Wanderung abgehalten werden, sind dagegen immun, und könnten sich durchaus auch im Süden aufhalten.
Wir verlassen durch ein Gate den Skeleton Park, wo eine Freundin von Barbara, Julia mit ihrem Mann, der diese Station leitet, lebt. Barbara versorgt Julia mit Lektüre, die sie verschlingt, denn sie hat an diesem einsamen Ort kaum soziale Kontaktmöglichkeiten: die Schätze der Einraumwohnung mit 2 Betten und einem Kochplatz sind 2 unter den Betten verstaute Schachteln mit Zeitungen und Büchern. Der Blick aus dem Fenster ist bewerkenswert, und zwar sowohl der wunderbare Ausblick auf einen roten Wüstenberg als auch der Vordergrund mit dem SWAPO-Sticker und den sehr bunten Bettdecken davor. Julia und Barbara sprechen über die Wahl und den kommenden Kandidaten. In Namibia scheint die Wahl stark von der SWAPO beeinflusst zu werden, d.h. viele Leute wählen, was ihnen gesagt wird und sie beteiligen sich wenig an der Kandidatenauswahl. Der jetzige Präsident, Dr. Sam Nujoma will wieder kandidieren, obgleich er 72 Jahre alt ist und dafür nochmals die Verfassung geändert werden müsste, da ein Präsident nur 2 mal wieder gewählt werden kann, weshalb die Verfassung schon einmal geändert wurde. Ein wenig beunruhigt die Leute die Tatsache, dass der Präsident mit Diktator Mugave eng befreundet sei. Er sei persönlich sehr nett, sagt John, der als Staatsbeamter sehr vorsichtig ist, aber möglicherweise manchmal falsch beraten.
Wir fahren durch sehr effektvolle Wüstenlandschaften durch das Land der Damara, früher unter südafrikanischer Verwaltung Damara Homeland. Damara und Nama sind verwandte Stämme und auch Sprachen. Sie haben 4 Schnalzlaute, die ich zwar leicht nachmachen konnte, schwierig ist aber der Einbau in die Wörter und den Sprachfluss. Wir kommen über einige Dörfer nach Damaraland Camp, einem Camp von Wildlife, einer südafrikanischen Firma, ausgesprochen schön angelegt, mit großen zeltartigen Hütten, die aber allen Komfort bieten, und mit vergleichsweise luxeriöser Versorgung: Säfte, Alkohol, gutes Essen und sehr gute Informationen. Wir fahren gleich nach unserer Ankunft auf das Angebot der Tourguide Rosie auf Wildlife tour. Rosie will uns die zwei nicht mit der Herde nach Norden gezogenen Elefanten zeigen. Wir fahren mit dem offenen Landrover über holprige Wege und Sandpisten in das Tal. Sie zeigt uns die eleganten zarten Springböcke, die kein Wasser brauchen, aber viel Wärme, da sie eine äußerst dünne Haut und wenig Fett haben. Sie sind hellbraun und haben einen schönen dunkelbraunen Längsstreifen entlang der Seite und darunter einen weißen Bauch. Sie beschreibt uns die Wüstenbäume, die im weißen Stamm Wasser speichern und unterschiedliche Blätter haben und die äußerst giftigen Sträucher, die einen nur bei Berührung schwer verletzen können, und bei schon geringster Einverleibung töten. Nach einiger Suche finden wir die Elefantenkuh mit ihrem kleinen Sohn in einem Seitental auf dem recht schnellen Weg. Rosie fährt recht nah heran und immer so, dass die Elefantenkuh sie sehen kann, um sich nicht bedroht zu fühlen. Der kleine Elefant hat Angst vor uns und läuft immer mit Bezug auf uns hinter seine Mutter. Aussteigen kann man nicht, das ist zu gefährlich, aber wir folgen den beiden seitlich in geringem Abstand von ca 50m, sehen die riesigen Ohren, den dünnen langen Schwanz, den Gang der riesigen fast runden Füße, sehen die umfangreiche Losung fallen. Rosie erzählt derweilen ununterbrochen, von ihren dramatischen Erlebnissen mit anderen Gästen und den Elefanten. Schließlich fahren wir wieder zurück in den Sonnenuntergang und hinauf zum Camp, um dort eine sehr schöne Mahlzeit einzunehmen, die wir, alle Gäste – das ist schön - mit Rosie und den anderen Angestellten teilen. Rosie verachtet das von den Weißen importierte Gemüse, Fleisch ist das einzig zählende Nahrungsmittel, sie erzählt von ihrer Mutter und ihren Geschwistern in der nahe gelegenen kleinen Stadt und auf unsere Fragen hin von ihrer beruflichen Geschichte. Rosie ist die einzige weibliche afrikanische Tourguide in Namibia und darauf ist sie mit Recht stolz: sie begann als Housekeeper im Camp, eignete sich selbst Kenntnisse über Flora und Fauna an und beeindruckte ihre Chefs und schließlich die Prüfer so sehr, dass man ihr eine Ausbildung als Tourguide in Südafrika schenkte.
Am nächsten Morgen fahren wir weiter nach Tweifelfontein (= zweifelhafte Quelle, die nicht immer da ist) Dies ist ein gebogener hoher roter Felsabbruch, an dessen Fuß bis etwa 1/3 der Höhe abgebrochene Felsen und Platten liegen, welche die berühmten Felszeichnungen und Malereien tragen. Diese müssen sich zunächst in einer Höhle befunden haben, welche aber durch die Erosion zerlegt wurde und nun auf Platten oder auf der Unterseite von Steinen an der Oberfläche liegen. Die wunderbaren und sehr realistischen Felszeichnungen, so erzählt unsere hübsche, versierte und kluge Führerin, wurden mittels Quarzsteinen gekratzt, und handeln von allen möglichen Tierdarstellungen in allen möglichen Situationen, auch wohl Aufzählungen, z.B. von mehreren Gänsen in einer Reihe. Die Felsmalereien aus Blut und Steinfarben enthalten neben Tieren auch mehrere Menschendarstellungen. Die Werke konnten aus zwei Carbonanalysen noch nicht genau datiert werden, sind aber zwischen 2-6 Tausend Jahre alt. Der Rest einer Höhle mit Feuerplatz enthielt auch Werkzeug aus Stein, das 36 Tausend Jahre alt ist und jetzt im Museum in Windhuk ausgestellt ist. Auch die zweifelhafte Quelle ist derzeit zu sehen und ein Brunnen, aus dem jeden Morgen das Wasser für die Bewohner der Station für den Tag gepumpt werden muss.
Der weitere Weg führt uns an vielen Schildern vorbei mit der Aufschrift „petrified forest“. Wir besuchen den größten versteinerten Wald, wo durch die Erosion versteinerte Bäume an die Oberfläche gekommen sind. Diese sind 280 Millionen Jahre alt, unter großem Druck versteinert, und teilweise mit Kristalleinschlüssen versehen, mit Magnesium und Eisen. Manche Bäume liegen in ihrer ganzen riesigen Länge, teilweise zerbrochen, ähnlich griechischen Säulen da. Unser Führer durch diese Anlage erzählt blühenden Unsinn: die Bäume seien mit einer Sintflut aus dem Kongo herangeschwemmt worden, was angesichts der Länge der Bäume kaum glaublich ist. Die Flut habe mehrer Millionen Jahre gedauert. Eigentlich interessiert er sich aber hauptsächlich für den Verkauf kleiner Gegenstände, wie Kristalle und geschnitzte Nüsse. Er zeigt uns aber auch Ameisenbärenlöcher: sie graben 3 mal so schnell wie Menschen, und wechseln ihr Domizil aus Sicherheitsgründen alle 2 Nächte. Sie leben von Insekten und ihre Schokolade sind Termiten. Batearfoxes haben die gleichen Vorlieben, sind sehr klein, aber mit Riesenohren ausgestattet. Es gibt aber auch Füchse, Mungos und andere Marderarten, sowie die unglaublich putzigen Erdmännchen.
Gegen Abend kommen wir in Hobatere an, einem Camp, das Freunden von John, eigentlich seinem Vorgänger in Möve Baai Steve mit Frau Louise bewirtschaftet wird. Es gibt sehr viel Personal, offenbar meist Damarans, die einen sehr aufmerksam und freundlich bedienen. Sie sind ausgesprochen kommunikativ, erzählen auf Fragen auch von ihren Familien, von der Schule und wie sie leben, und insbesondere beobachten sie genau die nationalen Unterschiede der Touristen: die Deutschen halten sich an Regeln, verlassen die Wege nicht und sind relativ ängstlich, die Italiener sind laut und kommunikativ und wollen immer Brot zu jeder Mahlzeit, die Engländer und Südafrikaner sind sehr wissend und viel interessierter, was die Tier-, Pflanzen- und Vogelwelt anbelangt, und werden von den Guides sofort anders, d.h. viel genauer, mit genauer Bezeichnung der Klassifikation, der lokalen Verbreitung, des Heirats- und Aufzuchtverhaltens, etc. informiert als die Deutschen oder Italiener. Der riesige Park wird von Steve und Louise gepachtet und sie haben eine Häusergruppe für Touristen, Küche und Gastraum, sich selbst und Personal gebaut. Die Hütten sind im afrikanischen Stil erbaut, rund, mit tief herunter gezogenen Ried gedeckten konischen Dächern. Vor dem Haus sieht man einen Leguan, blauschwarze elegante Longtail-Stare, Kiebitze und die bunten, recht lästig werdenden Tucans. Wir sind zu müde, noch beim Nightdrive mit zu fahren, was ich später bereut habe, denn diese sind unfassbar schön und überdies hätte ich dabei Löwen sehen können.
Am nächsten Tag dort sind beim ersten game drive, geleitet durch Orlando, habe ich zum ersten mal Giraffen und Kudus gesehen. Bergzebras sind besonders schön zu sehen, denn sie laufen erst weg, drehen sich dann aber um und schauen einen neugierig an, und kommen meist sogar zurück, um zu sehen, wer da ist. Dieses Verhalten macht sie laut Orlando besonders angreifbar für Löwen und in der Tat sind Zebras die am erfolgreichsten von Löwen gejagten Tiere. Zebras werden 35, wiegen 500kg, die hier vorhandenen Bergzebras haben Streifen bis zu den Beinen, einen weißen Bauch, und sie laufen neugierig zu Feind und Freund hin. Sie sind nicht domestizierbar.
Warzenschweine (die Weibchen mit einer Warze, die Männchen mit 2 Warzen auf beiden Wangen) laufen sehr schnell und behende mit ihren kleinen Ferkeln in einer Reihe hintereinander durch die anderen Tierherden zum Wasserloch. Doch dieses ist nur dann Tier-demokratisch belebt, wenn keine Elefanten dort sind. Kaum kommt ein Elefant, weichen alle anderen zurück und warten geduldig – oft stundenlang – bis diese erst hunderte Liter Wasser getrunken haben, sich dann ausgiebig, ebenfalls mit dem Rüssel, abgespritzt haben, und schließlich in der inzwischen ertrampelten Lehm –Wasser-Mischung gewälzt haben und dann nach langem Nachdenken abgetrabt sind. Die hier ansässigen afrikanischen Bergelefanten sind die größte lebende Art, sie haben sich an Wüste adaptiert (die Kategorisierung als Wüsten- oder Steppenelefanten ist nicht wissenschaftlich), fressen 300-400 kg Laub und Früchte pro Tag, machen ca. 100 kg Losung pro Tag, werden 60-70 Jahre alt; wiegen 60-150 Tonnen, laufen bis 45 km/h schnell, also hat ein Mensch keine Chance. Sie leben in Matriarchaten, die Bullen sind Einzelgänger. Die sind individuell erkennbar aus Ohren einrissen, Stoßzähnen und Schwanzquaste. Louise sagt, die Elefanten sind „very naughty“, sie lieben es, die Rieddächer im Lodge anzuzupfen und abzudecken und stehen manchmal mitten im Camp herum. Oft reissen sie um eines kleinen Zweiges willen einen ganzen Baum aus und sind überhaupt wenig zimperlich. Einmal sei ein Junges in den Pool gefallen, worauf die Mutter, die ihn nicht herausholen konnte, unglaublich wütend wurde und Bäume ausriss und alles herum zu zerstören begann. Natürlich konnte man sich dem Schauspiel nur schwer nähern, doch es gelang ihnen schließlich, in den Pool so viele Steine zu werfen, dass das Wasser herauswich, der Kleine höher zu stehen kam und die Elefantenkuh den Kleinen herausholen konnte. Daraufhin haben sie den Pool in einer unglaublichen breiten und hohen Befestigung isoliert.
Nachts machten wir einen night gamedrive, d.i. eine Wildpirsch in der Dunkelheit, der höchst faszinierend ist und eine ganz eigene Stimmung hat. Orlando leitet ihn wieder, assistiert durch einen weiteren Tourguide, der vorne am Landrover steht und eine große Lampe hin und her schwenkt, um Tiere zu beleuchten. Selten fixiert er einen Punkt oder wenn nur kurz, um die Tiere nicht zu sehr zu irritieren. Wir sind zusammen mit südafrikanischen Birders, das sind Vogelspezialisten, die sich der Tierbetrachtung als Hobby oder beruflich, halb wissenschaftlich widmen. Die Südafrikaner haben von den Engländern die Kultur des Botanisierens und der Tierbestimmung mit übernommen, die es bei uns – als Kulturtechnik – nicht, d.h. nur ausnahmsweise, gibt. Orlando hat ein großes Vogelbestimmungsbuch mit und der Birder ein anderes und eine zweite Lampe, mit der er die Vögel per Licht fixiert, dass sie möglichst nicht wegfliegen. Gleich zu Beginn unseres Ausflugs bekommen die Birder einen sogenannten Lifer zu sehen, d.i. ein Vogel, den sie wohl nur selten in ihrem Leben zu sehen bekommen und ihn deshalb in ihre Lebensliste aufnehmen (sie haben zwei Listen, die Liste ihres aktuellen drive und die Lebensliste). Der Birder fixiert den Vogel mit der Lampe, nähert sich ihm gleichzeitig, bis er ihn mit beiden Händen fängt. Sodann hält er ihn mit der rechten Hand zwischen Zeige- und Ringfinger um den Hals und mit Daumen und kleinem Finger hinten. Mit der linken Hand kann er dann zur Bestimmung die Flügel auffalten. Es ist eine mozambiquanische Nachtschwalbe, was Orlando und der Birder durch Vergleich der schwarzen Querstreifen mit den Abbildungen in ihren Büchern feststellen. Danach faltet er die Flügel wieder zurück und lässt den Vogel hinter dem Auto wegfliegen. Alle anderen Vögel, die er in dieser Nacht fängt, sind namibische Nachtschwalben. Einmal verhaken sich die Flügelfedern, so dass der Vogel nicht mehr fliegen kann, sodass der Birder sie wieder aufnehmen muss, die Federn in Ordnung bringt und glatt strecih und wieder zusammen faltet, wonach die Schwalbe wegfliegt. Wir sehen weiter Kibitze, einen weiss berockten und schwarz behosten und beschwanzten Sekretär, welcher der drittgrößte (schwerste) fliegende Vogel ist, der bis zu 20 kg wiegt. Orlando macht und auf Tiere aufmerksam, indem er ihre Position mittels eines flach gelegten Zifferblatts beschreibt, also z.B. Oryx 1 Uhr, heißt rechts vorne steht ein Oryx, oder Schakal 9 Uhr heißt links von uns auf gleicher Höhe ist ein Schakal, Nachtschwalbe 12 Uhr heißt vor uns sitzt eine Nachtschwalbe. Wir sehen auch Löffelhunde und Hasen und immer wieder große Augenpaare. Leider haben wir daher keine Löwen gesehen, aber ich hörte dann die ganze Nacht einen Löwen brüllen.
Luises Sohn zeigte mir die von Steve gefangene Schlangensammlung mit 10-20 Arten in Glaskäfigen wie in unseren Zoos, u.a. ein paar schöne Babyschlangen, eine sehr schöne aprikosenfarbene und sehr giftige Korallenkobra, eine Speikobra, die auch sofort an die Glasscheibe spie, was auch auf die Haut gelangt, sehr giftig gewesen wäre, also den giftigsten dort ansässigen Kobras. Sie fressen meist einmal monatlich eine Maus o.ä. Getier. Sie sind scheu und daher kaum je sichtbar und werden nur aggressiv, wenn man auf sie tritt oder sie stört. Daher ist es schwierig sie aufzustöbern und zu fangen.
Namibia bekannt für seine dramatischen Gewitter, in der Regenzeit im Herbst (März, April). Wo das Gewitter niedergeht, kann man nicht voraussagen, da der Wind die Wolken immer wieder verträgt, und es nicht wie bei uns breitflächig regnet, sondern in lokalen Güssen, die dann auch die dramatischen Stimmungen herstellen. Im Winter und im Sommer ist es trocken. Louise bemerkt seit 2-3 Jahren eine starke Klimaveränderung: früher gab es in Regenzeit zwischen 13 und 15 Uhr Regen, heute kommt er abends und nachts. Mit Louise habe ich mich öfter unterhalten, während der auch sehr nette sich leider sehr schlecht fühlt. Man hat Malaria bei ihm diagnostiziert (wahrscheinlich eingefangen in seiner Zeit als Nature Conservator in Caprivi) und die macht ihm ziemliche Beschwerden. Sie sprechen über ihre unsichere Zukunft, die Pacht läuft im nächsten Jahr aus und sie würden sie gerne langfristiger verlängern, da sie gerne investieren möchten, was aber nur Sinn macht, wenn sie mindestens 10 Jahre pachten können. Doch die Politik ist wenig berechenbar, und von ihr stark abhängig zu sein ist auch in Namibia schwierig, ob man nun Beamter ist oder nicht.
12. Tag. Wir fahren von Hobatere in den nahen Naturschutzpark Etosha. Wir haben die Erlaubnis, einen sonst für Touristen gesperrten Eingang zu benutzen, und durch ein entsprechend nur für das Ministerium und Wissenschaftler geöffneten Streifen im Westen des Parks einzutreten. Sonst müssten wir rund um den Park zum normalen Eingangtor im Südosten fahren. Die leicht begrünten Hügel wechseln bald in eine unterschiedlich locker bestrauchte Ebene, die von sehr viel mehr Tieren bewohnt wird als ich anderswo gesehen habe. Auch sind sie alle wesentlich angstfreier als in den anderen Gegenden, da niemand in Etosha jagen und auch nicht das Auto verlassen darf, außer in den Lodges.
Hier sehen wir Steppenzebras, die sich von den vorher gesichteten Bergzebras dadurch unterscheiden, dass sie am Hinterteil zwischen den schwarzen Streifen auch braune Streifen haben, die unter den Bauchreichen, aber nicht bis zu den Hufen. Auch ist das Gesicht anders gestreift, mit ovalen bis runden Streifen auf der Stirne. Große Springbockherden mit ganz zahmen und nahe kommenden Tieren wechseln mit scheuen Gnuherden und Oryxherden. Die Oryxe sind auch eher scheu und galoppieren erstaunlich immer im Gleichtakt davon als würden sie musikalisch kommunizieren. Strauße in schwarz (männlich) und braun (weiblich) sind zu sehen. Sie laufen meist rasch weg. Sie haben wunderschöne große Wimpern über den großen Augen, von denen eines größer ist als ihr Gehirn. Webernester baumeln auf Ästen, die sich über der normalen Baumhöhe (max. 2 m) befinden, so dass man einen wenig dichten, aber doch dichten Wald niedriger Höhe mit lauter herausragenden Ästen und daran lustig baumelnden Kugeln sieht.
Wir übernachten in der Besucherunterkunft der Forschungsstation von Okaukuejo, einer Holzhütte neben einem größeren Forschungsgebäude, die aber alles Notwendige, wie Bad, Küche, deren Einrichtung, Wohn- und zwei Schlafräume enthält. Okaukuejo ist eines der drei Lodges von Etosha Park. Hier sind an die Hundert Touristenhütten, das tourist center, eine Tankstelle, ein Restaurant, eine Post, ein Lebensmittel- und ein Andenkenladen, sowie drei Pools für die Touristen, ein Wahnsinn angesichts der prekären Wasserlage. Der Ort lehnt sich an ein großes beleuchtetes Wasserloch an, das schon vor der menschlichen Bebauung existierte, und aus traditionellen Gründen von den Tieren weiterhin besucht wird. Davor sitzen die BesucherInnen auf Bänken, und durch Betonmauer und Zaun getrennt, für die Tiere von spitzen Steinzinnen nicht unterscheidbar aufgereiht, und warten auf die Belebung des Wasserlochs. Wir kamen an einem Abend mit großem Gewitter, einer unglaublichen Stimmung mit großem schwarzem Himmel, am Horizont einem stets durch Blitze erhellten Streifen Himmels, der auch die darunter liegende Steppe und das Wasserloch hell beleuchtete. In dieser Situation bleiben die Tiere dem Wasser fern, warum haben wir uns aus einer Kombination zusammengereimt: Blitze schlagen eher in Wasser ein, der Lärm des Gewitters überdeckt die Geräusche heranschleichender Raubtiere, die Abwesenheit der grasenden Beutetiere lässt auch die Raubtiere uninteressiert am Wasserloch. So ist für Barbara das erste Mal dieses Wasserloch - sehr ungewöhnlich - kaum besucht. Wir sehen bei unseren regelmäßigen Besuchen nur einen Uhu und zwei ägyptische Gänse. Am nächsten Morgen fahren wir durch den Park und begegnen wieder Gnu-, Springbock- und Zebraherden, vielen Straussvögeln und schönen Gauklern, Kronenkiebitzen, Falken, Schildraben, grauen Singhabichten, einer verspeist gerade seine Beute, eine Eidechse oder Maus, und lässt einen anderen am Nachbarstrauch zuschauen, Gackeltrappen und Riesentrappen. Zum ersten mal begegnen wir eine ganzen Kolonie von Erdmännchen, das sind Eichhörnchen ähnliche Tiere, die aufgerichtet wie kleine glatzige Menschlein mit kaum auffallendem Schweif aussehen, den sie aber zum Schutz gegen die Sonne breit auffalten können und dann über ihren Rücken auffächern, so unseren Eichhörnchen und den nur hier vorkommenden Suricats ähnelnd. Die ganze Nacht hört man Tiergeräusche, zuerst laute Grillen, dann Schreien und Löwengebrüll, und morgens mit der Lerche beginnend viele Vögel. Am nächsten Morgen, einem Sonntag, fahren wir auf game drive. Wir sehen alle unsere Tiere wieder, auch eine Gnuherde in der Nähe (sie sind sehr scheu) und eine am Wegesrand spielende Gruppe von Erdmännchen. Dazu viele Vögel, die ich jetzt schon teilweise unterscheiden kann: Gaukler, eine Art kleiner Adler mit rotem Schnabel und Beinen, die ihren Namen vom hin und her schaukelnden Flug haben, die laut krächzenden Kronenkiebitze mit ihren schwarz-weissen Kopfhauben und roten Beinen, die grauen Schmiedekiebitze, Gackeltrappen und die großen grauen Riesentrappen, die zweitschwersten fliegenden Vögel, vor den Sektretären, die bunten Gabelracken, blauschwarze Krähen, Schildraben und mehrere Falken, einen Wiedehopf, viele Webervögel und Warbler.
Wir bleiben in Okaukuejo von Samstag bis Dienstag, bereiten den Workshop weiter vor, am Montag arbeiten wir in der Forschungsstation mit Werner Kilian, einem Biologen des Ministery of and Tourism, um die Expertensystemstruktur für die Impala –Antilope aufzunehmen, wofür er Experte ist. Das Gebäude ist ein großes flaches Haus, an dessen Eingang die Spuren vieler wilder Tiere in den Beton eingeprägt sind: Elefant, Nashorn, Löwe, Schakal und Hyäne, viele Paarhufer und Vogelspuren. Drinnen sind die Wände voll mit Informationen über Habitat von Tieren, Flamingos, Termiten, Hyänen,... und ausgestopften Tieren, einem Uhu mit Maus und Tierköpfen, insbesondere von Hornvieh, von dem eindrucksvoll gezwirbelten Horn des Kudu, einem dicken Büffelhorn, bis zu Elefantenzähnen und ein ganzes Löwenfell mit Einschußloch. Die Löwenpopulation in Etosha ist in den letzten 20 Jahren um 40% dezimiert worden, hauptsächlich deshalb, weil sie außerhalb des Parks wegen ihrer Schäden für das Vieh – verbotenerweise - von Farmern erschossen werden. Ein Löwe frisst durchschnittlich pro Tag 100,3 kg Fleisch und ist somit ein großer Nahrungskonkurrent des Menschen. Der Leiter zeigt uns seine Schätze: ein arthrotisches Elefantenkniegelenk, einen Elefantenfuß mit Landminenverletzung, 5 Arten Webernester, u.s.w. Es riecht entsprechend in seinem Arbeitszimmer, aber er ist sehr stolz darauf.
Es wird von einem Wildhüter erzählt, der ein Nashorn bei sich aufgezogen hat. Nashörner sind zwar sehr gefährlich, aber ganz leicht zu domestizieren, nach 3 Tagen Gefangenschaft, wenn man sie füttert, sind sie schon zahm. Dann kann man sie am Horn umherführen. Das kleine Nashorn schlief sogar bei ihm im Bett. Als es größer wurde, wollte es dieses Vorrecht beibehalten und verschaffte sich immer wieder Zugang zum Haus. Das kostete viele Betten. Als es dann ein großes Nashorn war, und unaufhaltsam weiterhin auf seinen Gewohnheiten bestand, zimmerte der Wildhüter schließlich sein Bett aus Nashorn stabilen Telegraphenstangen.