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Leben, Natur, Komplexität in biologischer und künstlicher Evolution
Referat von Timo Schneider

Einleitung

Leben und Natur
.Leben
.Natur
.Leben und Natur aus der 
Sicht der Wissenschaft

Umsetzung einer 
»künstlichen Biologie«
.Merkmale des Lebens und 
mögliche Analogien des 
Künstlichen Lebens
.Gene
.Mutation
.Zellen
.Tod

Evolution, Umwelt 
und Komplexität
.Evolution und Umwelt 
im Computer
.Komplexität der digitalen 
Umwelt bis zur Nichtlinearität
.Chaos im Rechner

Wege zur Komplexität
.Komplexität durch 
Evolutionssprünge 
.Kambrische Explosion im 
digitalen Medium
.Adaption des Lebens
.Ökologische Innovation
.Lernen
.Emergentes Verhalten

Schlußfolgerung

Literaturnachweis

 

Leben und Natur
Bei der Vorbereitung dieses Referats habe ich per email eine kleine Umfrage gestartet und meinen Bekanntenkreis gebeten, die Begriffe »Leben« und »Natur« zu definieren.
Schon dabei zeigte sich, wie vieldeutig beide Begriffe sind und wie unterschiedlich man sie verstehen kann. In Bezug auf das Leben im biologischen Verständnis und nachfolgend relevanten Sinne sind folgende Auffassungen des »common sense« bemerkenswert:

Leben

Leben definiert sich demnach als ein Zusammenspiel von Dingen in einer großen, vielfältigen Umwelt, in der durch das Leben selbst Veränderungen hervorgerufen werden. Diese Veränderungen basieren sowohl auf der Bewegungs- und Handlungsfreiheit des Lebendigen, als auch auf den jeweiligen Eigenschaften, Instinkten und Trieben der Lebensformen. 
Darüberhinaus gehören auch die biologischen Begriffe Atmung, Bewegung, Energieaustausch, Fortpflanzung und Wahrnehmung inzwischen zum allgemeinen Verständnis von dem, was Leben ausmacht.
Schließlich sind auch zunächst unwissenschaftlich erscheinende Aussagen erwähnenswert, so zum Beispiel die Vorstellung, daß Menschen, Tiere und Pflanzen als eine Einheit oder das Leben überhaupt gelten (vergleichbar mit der Gaia-Hypothese). Doch auch metaphysische Standpunkte sind nicht selten, wenn es um "das Leben" geht, das eben auch als Geschenk Gottes und als »Chance« verstanden werden kann.

Natur

Definitionen zum Naturbegriff fielen im Vergleich überraschend mager aus. Das liegt vermutlich größtenteils daran, daß viele Merkmale der »Natur« schon in der Beschreibung des Lebens vorweggenommen wurden, und auf den folgenden Seiten wird sich zeigen, daß es durchaus berechtigt ist, auf eine Trennung von Leben und Natur zu verzichten. 
Als Natur oder auch »Umwelt« galt in der Umfrage das »Leben um das Leben herum«, also das System, das Lebensformen umgibt, enthält und in dem v.a. die lebendigen Wesen Veränderungen hervorrufen.

Leben und Natur aus der Sicht der Wissenschaft

Die Biologie, also die Wissenschaft vom Lebendigen, verzichtet im allgemeinen auf eindeutige Definition und nennt statt dessen nur offenkundige Merkmale des Lebens. Zu diesen Merkmalen gehören vor allem:

  • Fähigkeit zur Replikation / Fortpflanzung
  • Unterwerfung unter eine Evolution / Selektion
  • Ein Metabolismus zur Energieproduktion, aus der die »Lebensfunktionen« gespeist werden
  • Reaktionsfähigkeit auf Reize der Umwelt
  • Regeneration, sowohl im psychologischen (Schlaf) als auch physiologischen Sinn (Heilung)
  • Fähigkeit und Drang zur Selbsterhaltung
  • Wachstum und auch Alterung (Veränderung mit der Zeit)
  • Wasser und Kohlenstoff als Basis der Lebensform 
Diese Kriterien gelten als notwendige Bedingungen für das Leben. Sie allein sind jedoch nicht hinreichend, um etwas lebendig zu machen. 
Ein Feuer zum Beispiel besitzt – im weitesten Sinne – die Eigenschaften Wachstum und Fortpflanzung (das Ausbreiten und Übergreifen eines Brands), es reagiert auf seine Umwelt (Löschversuche, Luft- oder Brennstoffzufuhr), es kann sich regenerieren (Wiederaufflammen einer Glut) und man kann auch so weit gehen, ihm einen Metabolismus in Form von Energiefluß zuzuschreiben.
Doch selbst wenn man die offenkundigen Merkmale des Lebens wirklich soweit überdehnt, wird man kaum Zustimmung dafür finden, daß es sich bei einem Waldbrand um ein Lebewesen handelt, auch wenn er zahlreiche Kriterien für eine solche Behauptung zu erfüllen scheint.
Ähnlich verhält es sich mit biologischen Viren, denen zum Leben z.B. ein Metabolismus fehlt, die jedoch für tote Materie zu viele Charakteristika von Leben besitzen. 

Angesichts der oben beschriebenen Merkmale des Lebens wird deutlich, daß Leben auf eine Umwelt angewiesen ist, in der sie diese Kriterien ausbilden und anpassen kann. Leben und Natur lassen sich offenbar nicht voneinander trennen, denn Lebensformen sind nicht nur abhängig von ihrer Umwelt, sondern jede einzelne bildet zugleich auch die Umwelt eines anderen Lebewesens. Betrachtet man ein Individuum, so gehören alle anderen Organismen zu dem System, in dem dieses Individuum lebt. 
Diese untrennbare Verbindung von Leben und Umwelt wird später unter dem Gesichtspunkt von Evolution, Komplexität und Verhalten genauer betrachtet werden.


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"Artificial Life Forschung - Schnittstelle zwischen Informatik und Naturwissenschaften", PD Dr. Sigrid Schmitz
Institut für Informatik und Gesellschaft
Universität Freiburg, Sommersemester 2001