suche | drucken

Mit dem Wetter habe ich enormes Glück: es ist, so heißt es, der erste schöne Tag in diesem irischen Sommer und alle 4 Tage, die ich hier auf der europäischen IADIS-Konferenz bin, ist strahlender Sonneschein, ich bekomme keine Regen ab und kann den Schirm im Koffer lassen – das ist offenbar sehr ungewöhnlich für Irland.

Dublin, ausgesprochen Doblin oder Dublin ist eine sehr lebendige junge Stadt, sehr multikulturell, sehr bunt, mit viele jungen Leuten, flankiert von einem ebenso starkem Autoverkehr und vielen ununterbrochen fahrenden öffentlichen Bussen und einer U-Bahn, oder besser Hochbahn, der Dart. Viel buntes Volk sieht man, einen Straßenkünstler neben dem anderen in den In-Strassen wie Grafton Road oder in Temple Bar, und irische und Rock-Musik hört man dort und in den Pubs. Auch so manche alkoholisierte, oder sonst in schlechtem Zustand befindliche. Viele junge Männer gehen und stehen im schwarzen Anzug und weißem oder schwarzem Hemd, so wie in England, und nicht nur business men sind so angezogen, sondern viele junge Männer, auch abends beim Bier, es scheint unter Yuppies schick zu sein.

Mädchen und Frauen sind meist recht rundlich, mit großen Brüsten, nicht fett wie oft in den USA, aber schon hübsch gepolstert – und schon komme ich mir viel schöner vor. Aber es gibt auch dünne nach dem Modegeschmack, und die sind dann so superdünn, nur mehr Linien, dünner als die vielen hier in der Bedienung arbeitenden Chinesinnen, die hier auch schon rundlicher sind als bei uns. Vielleicht macht’s das Guiness, oder die guten Scorns und das irische Sodabrot zum Frühstück.

Auch Sonntags ist bei strahlendem Wetter die Stadt voller Leben, die Geschäfte sind allerdings auch bis 18.30 offen. D.h. nicht alle Leute sind am nahen Strand, wo viele trotz 14-16 Grad Kälte schwimmen gehen.

Viele amerikanische Namen erkenne ich wieder, McNamara, O’Donnel, Kennedy und auch das amerikanische gequargelte r scheint mir von hier zu stammen, da ich es häufiger von Iren gehört habe. Natürlich ist die Aussprache doch vom Amerikanischen unterscheidbar, durch die hier vorhandenen Knacklaute und die noch weiter vorne sitzenden Konsonanten.


Überall begegnen einem Dublins Dichter: Shaws Geburtshaus in der Nähe des Kanals, Yeats und im Nationalmuseum sein wunderbare Portraits malender Vater und sein sehr gut halbabstrakt bunt malender Bruder, mit dem Beckett befreundet war, das Joyce Museum und im Trinity College das Beckett-Theatre, ein Holzbau neben meiner Unterkunft. Ich wohne im Trinity College in einem der Räume der jüngeren Dorms (1920?), sehr einfach, aber irgendwie schön, in einer sehr zurückhaltenden strengen Architektur mit echten ungebeizten Holzfenstern und Holztüren, allen Leitungen außer Putz, aber sauber und o.k., und kostet doch fast 80 € (schätze, das würde bei uns nicht mehr als 35 € kosten).

Die Studenten-dormitories werden in den Ferien an Touristen vermietet. Aber ich bin in dem berühmten Trinity College, wo das Book of Kells aufbewahrt und gezeigt wird.





Das College selbst ist bemerkenswert mit den Kalksteinhäusern und, man kann ruhig sagen, Palästen, denn es gibt nicht wenige Bauten in sehr aufwändigem Renaissance- oder im griechischen Stil mit dreieckigen Frontaufbauten und ionischen oder korinthischen Säulen und sonstigem großformatigem Putz. Ein Stil, der auch sonst in Dublin gern gepflegt wird, samt einer Liebe für Kuppeln und mehreren Petersdom ähnlichen Prachtbauten, die sich bis zu den Gründerzeithäusern fortpflanzen: das Parlament mit riesiger Kuppel, manche Banken, das archäologische und historische Museum,… Obgleich alles nicht zu groß und nicht sehr hoch ist, hat Dublin einen Hang zum Monumentalen in Kalk. So wie die gotischen Kirchen, die teilweise eine so glatte Oberfläche haben, merkwürdig wirkt das vor allem an den konischen Türmen, dass man sie für neue Gebäude halten möchte. St. Patricks Cathedral ist die größte und sehr schöne alte gotische Kirchen, St. Johns, viele anglikanische (hier irische) Kirchen genannt, und St. Andrews, heute als Touristenzentrum umfunktioniert, was sich, wenn schon „entweiht“, recht gut macht. Der hl. Patrick hatte im 4 Jhdt. nach Christus das Christentum nach Irland gebracht, von wo aus dann ab dem 6. Jhdt. West- und Mitteleuropa durch etliche Klostergründungen, wie St. Gallen, Fontenay oder Würzburg, was dort dem Christianisierer allerdings nicht so gut bekommen ist, christianisiert wurde.

In Ziegel hingegen sind offenbar typisch die geraden Strassen aus 1-3-stöckigen in einer durchgehenden Linie aneinander gebauten Häusern mit ganz flachen schmucklosen Fassaden, die nur durch die stockweise sich verkürzenden Fenstergrößen strukturiert werden und als einzige Dekoration ein knallfarbiges Tor mit oben aufgebautem weiß getünchtem Bogen und manchmal auch seitlich flankierenden weißen Säulen haben.

Das Nationalmuseum ist riesig und enthält unglaubliche Schätze – ich wusste das gar nicht-, die teilweise recht unscheinbar versteckt zwischen zweitklassigen Bildern aufgehängt sind, so ein paar wunderbare und sehr berühmte Goya-Portraits und ein sehr schöner Cranach (Salome mit dem Kopf des Jochanaan), Vermeer’s Brief Schreibende. Alle Epochen sind vorhanden, es gibt Säle mit Unmengen bester Holländer und Flamen, Renaissance und Manierismus, berühmt sind die Caravaggios, Vater und Sohn Yeats bekommen einen eigenen großen Raum. Aus Paris ist gerade die Ausstellung Beckett’s favorite paintings zu Besuch, die Bilder seiner Malerfreunde aus Dublin und Paris zeigt, u.a. 3 von ihm gekaufte Jack Yeats, der große nach vorne schreitende Giacometti-Mann aus Paris, einen Cezanne und einen Munch, sowie als erstes eine Perugino-Pietà, die er überraschend kommentiert: „ein potenter Christus, der, gut rasiert, seinen Samen mit der Hand bedeckt und seine Mutter, ihre Arme um seine Lenden, die dies alles beweint.“ Ich war einfach zu müde, auch nur alles Wichtige anschauen zu können, und wollte nochmals herkommen, aber das war nicht mehr möglich.

Die Tagung im Trinitiy College hatte sehr gute Vorträge, v.a. die Keynotes, aber ich habe trotzdem die Zeit auch genutzt, die Stadt kennen zu lernen. Mittagessen gab es in dem großen Prachtsaal des College, was für sich ein Erlebnis war: eine Kuppelhalle mit großen Portraits der College-Präsidenten, in gepuderten Perücken mit sehr langen Haaren, sitzend und Macht ausstrahlend. Und von heute gesehen ziemlich komisch, aber man muss es leider nur allzu ernst nehmen, denn von daher – besser von Royal Society aus London, die aber sicher genauso aussah - stammt unsere patriarchale Wissenschaft.

Man frühstückt im sogenannten Buttery Restaurant, wo eine Ungarin und eine Chinesin bedienen. Mit der Ungarin spreche ich dann immer, sie klagt, der Chef treibt sie herum, sodass sie den Leuten das Tablett unter dem Essen wegziehen muss (der Grund warum ich mit ihr ins Gespräch kam). Viele junge Rucksack-Amerikanerinnen frühstücken hier auch, die meisten gut gepolstert, mit t-shirts mit Aufschriften, wie: I may be fat, but you are ugly. Eine junge Amerikanerin habe ich genau beobachtet: sie hatte wunderbar glänzend geschminkte aufgeworfene Lippen und nun hatte sie das Problem, die Pracht durch das Frühstück nicht zu zerstören. Das sah sehr komisch aus: sie zerriss die Croissants in kleinste Stücke und schob diese zwischen die nach außen gestülpten Lippen und kaute mit halb geöffnetem Mund – und sie war erfolgreich, nachher war die Schminke unversehrt.

Die Tagung endet erst Sonntag Nachmittag, aber für mich sind keine so interessanten Sessions mehr, sodass ich mir ein Fahrrad miete und das Meer entlang nach Norden zu einer Halbinsel fahre. Genauer fährt man entlang eines Watts, dahinter ein Damm und danach ist erst das offene Meer. In dem Watt sieht man Fischreiher, Raubvögel und viele Wasservögel, die nach Essbarem fischen. Am Rückweg hat schon die Tide zu steigen begonnen. Wieder in der Stadt sehe ich, dass das Geschäftsleben auch abends sehr lebendig ist. Es ist sichtbar viel Geld in der Stadt und das wird auch ausgegeben. Ich erfahre zufällig, dass am Montag, meinem Abflugtag, die Taxis streiken, weshalb ich nach Busmöglichkeiten Ausschau halten muss, aber alle sind sehr freundlich und auskunftsbereit, auch dann wenn es mal falsch ist. Es gibt eine Unmasse Taxis, man sagt es seien in Dublin mehr unterwegs als in New York. Wofür sie streikten habe ich nicht ausmachen können.

Am Montag früh beim Suchen der Haltestelle des Flughafenbusses gehe ich in einem kleinen Taschengeschäft noch einen Roll-Rucksack kaufen, denn mein Gepäck hat sich vergrößert. Die junge Verkäuferin zeigt mir einige Modelle, von denen ich mir einen weichen grünen Rucksack auswähle. Sie zeigt mir alle features des Rucksacks und sagt zum Schluss: the designer thought of everything, it must have been a women. Ich lache, und sie sagt, “yes, a man would never have been able to see all these things”. Ich stimme ihr zu.

Mit dem rappelvollen Flughafenbus zum übervollen Flughafen. Man kann sich kaum den Weg bahnen durch alle Schlangen bis zur eigenen Schlange, nach Abfertigung setze ich mich in ein Cafe und möchte an meinem nächsten Vortrag arbeiten, aber ein älteres holländisches Paar setzt sich dazu und sie spricht ohne Unterlass so laut, dass ich von der Gegen-Konzentration auf meine Arbeit ganz müde werde und schließlich eine Gelegenheit zum Umsetzen wahrnehme. Der Flug nach Fra problemlos.